Gemeinschaftsbrauerei Zahlbach

Die Gemeinschaftbrauerei Zahlbach u. Umgebung
Wo heute die Staatsstraße 2430 von Aschach kommend in die Forstmeisterstraße in Zahlbach einmündet, steht auf der rechten Seite ein Steinkreuz. Auf dem dahinterliegen den Grundstück stand bis 1979 mit der Hs. Nr. 110, das Gebäude der Gemeinschaftsbrauerei Zahlbach und Umgebung.
Wir schreiben das Jahr 1928, Zeit der Weltwirtschaftskrise, fünf Jahre nach der Inflationszeit, als eine Billion gleich einer Mark war. Wie ganz Deutschland war auch die Rhön
besonders hart von Arbeitslosigkeit und damit von der Armut betroffen.Auch das Bier war unerschwinglich teuer geworden. Da aber dies sehr gerne getrunken wurde, entstand aus der Not heraus der Gedanke, die Gemeinschaftsbrauerei Zahlbach zu gründen.
Trotz vieler Bedenken überzeugten sie zwölf weitere Bürgermeister von der Idee einer Gemeinschaftsbrauerei, deren Finanzierung geteilt werden sollte. Ihre Idee einer Gemeinschaftsbrauerei muß wie ein Funke auf die Kollegen übergesprungen sein, denn nur so ist deren Risikobereitschaft zu erklären. Eine gesamtschuldnerische Haftung hätte im Fall einer Pleite die Gemeinden an den Rand Ruins gebracht.
Trotz aller Bedenken wurde am 4. Juli 1928 in Burkardroth die "Gemeinschaftsbrauerei Zahlbach und Umgebung", eine Gesellschaft des öffentlichen Rechts, gegründet.
Mitglieder der Gesellschaft waren die Gemeinden Zahlbach, Burkardroth, Wollbach, Stralsbach, Waldfenster, Stangenroth, Schlimpfhof, Lauter, Poppenroth, Frauenroth und Gefäll sowie Langenleiten, Waldberg und Sandberg. Ausschlaggebend für die Standortwahl war das Quellwasser. Das Wasser des Eichenbrunnens in Zahlbach war nach einer Untersuchung zum Bierbrauen besser geeignet als das der Märzenwiese in Burkardroth.
   
Es war auch nicht einfach, ein Grundstück zu erwerben; also stellte Mitbegründer Kaspar Schmitt seinen Grund und Boden zur Verfügung und bereitete damit den Streitigkeiten ein Ende. Allerdings war der Platz so schmal, daß das Gebäude mit der Giebelseite zur Straße gebaut werden mußte. Der Grundstückspreis betrug 1500 Reichsmark für 974 Quadratmeter.
Das Material für den Neubau lieferte die damalige Bauwarenfirma Kilian Höchemer aus Burkardroth; Kaspar Schmitt hatte seine liebe Not und bewachte nachts die Baustelle, damit kein Material entwendet wurde. Die Braueinrichtung lieferte die Firma Schulz aus Bamberg, Kosten: 28 750 Reichsmark.
Am 1. Januar 1929 ging die Gemeinschaftsbrauerei Zahlbach und Umgebung in Betrieb. Der erste Betriebsleiter war Alfred Schmitt, Sohn von Kaspar Schmitt, der zwei Wintersemester das Brauhandwerk in Weihenstephan erlernt hatte.

Die Brauerei erlebte einen raschen und steilen Aufstieg. Ortschaften, die vorher nicht den Mut hatten, kamen als Gesellschafter hinzu. Schon im ersten Jahr, so zeigt die Bilanz von 1930, erwirtschaftete die Brauerei 36339,10 Reichsmark und trug sich somit sehr schnell selbst. Ende der dreißiger Jahre nahmen 2600 Hausbrauer aus 46 Dörfern das Bier ab. Welche Bedeutung die Brauerei in jener Zeit erlangte, läßt die Anzahl der hinzugekommenen Ortschaften erkennen: Premich, Steinach, Bischoffsheim, Hassenbach, Katzenbach und weitere 44. Die Sudführer nahmen in den Gemeinden die Bestellungen der Hausbrauer entgegen und gaben sie an die Brauerei weiter. Mit Pferdefuhrwerken holten sie das Bier in 25-, 50-, 100- und 150- Liter Fässern in Zahlbach ab. Im Sommer mußte frühzeitig aufgebrochen werden, denn an heißen Tagen konnte schon einmal ein Faß explodieren. Das Bier wurde von den Hausbrauern vom Faß in Liter-Flaschen abgefüllt und rund 14 Tage bis zum Verzehr gelagert. Im Herbst holten Brauerei-Mitarbeiter die Gerste bei den Braurechtlern ab, die in mehreren umliegenden Malzfabriken zu Malz verarbeitet wurde.
Das Zollamt kontrollierte und wachte über die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte und die Einhaltung der Vorschriften. Auch der Alkoholgehalt wurde gemessen: "Gewöhnliches" Bier hatte einen Stammwürzgehalt von 12,7 Prozent; Bockbier, das mit Farbmalz nur an Ostern und Weihnachten gebraut wurde, erreichte einen Stammwürzgehalt von 18 Prozent. Täglich wurden 34 Hektoliter Bier gebraut und ausgegeben.
Wiederverwertung stand damals schon auf dem Programm, allerdings aus finanziellen Uberlegungen. Das ausgekochte Malz (Treber) verkaufte die Brauerei an die Bauern. Treber war damals ein beliebtes Tierfutter für die Schweinezucht, Milchkühe und die Fischzucht. Der Koks, mit dem das Bier gekocht wurde, fand als Schlacke beim Hausbau Verwendung. Damals war es üblich, Schlacke als Füllmaterial und Isolierung in Zwischendecken zu verwenden. Nur der verbrauchte Hopfen und die Hefe waren reine Abfallprodukte.
Auch das Kriegsende ging nicht spurlos an der Gemeinschaftsbrauerei vorbei. Die Amerikaner stürmten das Gebäude, nahmen die einzige Schreibmaschine mit und verstreuten die Akten. Auf den Panzerschrank schossen sie mit Gewehren, aber er hielt stand. Bis in die jüngste Zeit zeigte der Betriebsleiter Besuchern voller Stolz den Tresor, an dem noch die Spuren der abgeprallten Kugeln sichtbar waren.
Die Amerikaner schlossen den Betrieb und beschlagnahmten das Malz, das noch in den Malzfabriken lag. Kaspar Schmitt, Gründungsmitglied und provisorischer Betriebsleiter während der Kriegswirren, appellierte an die Militärregierung Bad Kissingen, das beschlagnahmte Malz wieder freizugeben. Sein Argument war, daß die Versorgung der Bevölkerung mit Milch- und Fettprodukten gefährdet wäre, da die Bauern wütend sagten: "Wenn wir kein Bier mehr kriegen, dann trinken wir unsere Milch eben selber,"
Der Betrieb ruhte bis 1948. Nachdem Betriebsleiter Alfred Schmitt und Brauer Gregor Höchemer aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt waren, machten sich die beiden sofort wieder an die Arbeit. Sie besserten die Kriegsschäden aus und nahmen den Betrieb wieder auf. Mittlerweile war Josef Albert aus Zahlbach Bürgermeister und damit 1. Vorsitzender der Gemeinschaftsbrauerei. Das blieb er bis zum Abbruch.
Im Jahr 1949 durfte achtprozentiges Bier und ab 1950 Vollbier mit einem Stammwürzgehalt von 11 bis 14 Prozent gebraut werden. Von nun an begann ein rascher Aufschwung. Es mußten sogar Nachtschichten (Nachtsude) eingelegt werden.
Ab Ende der 60er Jahre schrieb der Betrieb rote Zahlen. Gründe dafür waren die aufkommenden Flaschenbierhandlungen und die Halbliterflasche. Die neuen Betriebe brachten das Bier der Kundschaft vor die Haustüre. Dieser Service entzog der Gemeinschaftsbrauerei die Existenzgrundlage.
Mit dem aufkommenden Wohlstand waren die Kunden auf das "billige" Bier nicht mehr angewiesen. Die Betriebsleitung unternahm noch den Versuch, durch Einrichtung einer Flaschenabfüllanlage den drohenden Niedergang abzuwenden, doch zu spät. Im April 1971 wurde der letzte Sud angesetzt, Die Gemeinschaftsbrauerei Zahlbach und Umgebung schloß offiziell am 1. 1. 1972 ihre Tore.
Kurz vor dem Tod des ehemaligen Betriebsleiters Alfred Schmitt im Jahr 1974 beschlossen schließlich die Gesellschafter die Auflösung des Betriebes. Fünf Jahre später wurde das Gebäude in der Forstmeisterstraße 61 abgebrochen.

Alfred Saam, Febr. 1994

Ausführlicher Bericht mit Bildern von der Brauerei gebunden erhältlich; 2000/03/16 webmaster